Die Spinne

Die Heide glänzte im Abendschein,

dem herbstlichen Schweigen ergeben.

Die Luft wurde kühl, doch geborgen saß

eine Spinne in zarten Geweben.

 

Noch war ihr Körper vom Sonnenlicht

voll Wärme und voller Verlangen.

So sah sie die nahende Dämmerung,

und ihr Herz war von Ängsten umfangen.

 

Sie wollte nicht wieder alleine sein,

voll Sehnsucht nach Liebe und Leben,

doch als sie die Augen zum Himmel hob,

war sie von der Nacht schon umgeben.

 

Vor Kälte wurden die Glieder starr

und heißer noch brannten die Qualen,

da sah sie auf einmal in eisigster Nacht

von ferne ein leuchtendes Strahlen.

 

Dies Licht dort, es musste die Rettung sein,

das Glück war ihr doch treu geblieben.

So machte sie sich auf den langen Weg,

von Sehnsucht und Hoffnung getrieben.

 

Die Spinne huschte durchs feuchte Gras,

und Nässe kroch ihr in die Poren.

Erschöpft kam sie endlich am Ziele an,

halbtot, und schon beinah' erfroren.

 

Mit letzter Kraft stieg sie die Hauswand empor

und sah durch ein Fenster nach innen.

Sie spürte die Wärme und hörte Musik,

vor Kälte und Glück wie von Sinnen.

 

Das Fenster war offen, sie stieg hinein

und fühlte sich endlich geborgen,

da hüllte der Schlaf sie ganz sachte ein,

befreite von Schmerzen und Sorgen.

 

Bald legte das glitzernde Morgenlicht

Brillantentau über die Heide.

Die Spinne jedoch war im glücklichsten Traum

erfroren in schimmernder Seide.

 

 

(24.12.1988 - für Anne)