Der Tod als Erwürger

Wir tanzen auf dem Maskenball,

auf hölzernem Podest,

die Knochengeige spielt so fahl

der Tod, der einst als Pest

die Menschen hat dahingerafft,

doch lang ist's schon vorbei,

beiseite hat man ihn geschafft

und dachte, man sei frei.

 

Der Tod spielt auf zum Hochzeitstanz,

die Cholera als Braut,

gegeißelt von dem Lichterglanz,

starr in die Runde schaut:

Die Maskenträger liegen tot

im prunkvollen Gewand,

die andern, denen Gleiches droht,

steh'n furchtsam vor der Wand.

 

Ganz vorn der Narr, der Harlekin,

verdrehend jeden Sinn,

wollt' gar nicht erst dem Tod entflieh'n

und war zuerst dahin.

Die Glöckchen noch um seinen Bauch,

nur warnen sie nicht mehr,

der Aussätzige, so der Brauch,

trug diese vor sich her.

 

Die Musiker woll'n links heraus

und finden eine Tür,

das grelle Licht treibt sie hinaus,

ins Dunkle geht's dafür.

Der Tod ins Spiel versunken ist,

am Arm die Maske hängt,

dass keine Note er vergisst

und allen Frieden schenkt.

 

 

(17.07.2022)

 

Anmerkung: Gedicht zum Bild " Der Tod als Erwürger" von Alfred Rethel (1816 – 1859)

 

 

Die Cholera auf dem Maskenballe (von Ernst Ziel, 1841 - 1921)

(Zu einem Bilde von Rethel.)

 

Es tönet die Fiedel, es raset der Tanz;

Wild flackern im Zugwind die Kerzen.

Die Burschen mit Bändern, die Dirnen im Kranz,

Sie kichern, sie lachen und scherzen,

Als wollte auf einmal die klopfende Brust

Auskosten der Jugend vergängliche Lust:

Das ist ein verwegenes Tanzen.

 

„Mein Becher ist leer. Ei! so schenkt mir doch ein!

Die walzenden Masten soll'n leben!

Gevatter, das ist ein vortrefflicher Wein:

Ein Hoch auf die feurigen Reben!

Eil seht doch die Füßchen, so flink und so nett!

Eil seht doch die Dirnen, so schmuck und kokett!

Das nenn' ich das Leben genießen."

 

— Da mischt in die Reih'n sich 'ne finstre Gestalt,

Gehüllt in phantastische Lappen.

Ihr Blick ist so heiß und ihr Athem so kalt;

Sie sucht ihr Gesicht zu Verkappen.

Und wem sie begegnet und greinend sich duckt,

Dem ist es, als hätte er Pesthauch geschluckt:

„Gevatter, sie duftet nach Moder!"

 

Auf einmal erhebt sie ihr grinsend Gesicht;

Längst faulen ihr Augen und Lippen.

Sie lüftet den Mantel, sie zieret sich nicht,

Sie zeiget die klappernden Rippen:.

„Ihr kichernden Dirnen im blühenden Kranz,

Seid lustig, feid lustig! Ihr Bursche, zum Tanz!"

Es walzt durch den Saal das Gerippe.

 

Da faßt die Gesellschaft Entsetzen und Graus;

Da giebt es ein wildes Gedränge;

Es kreischen die Fiedelnd „Ist's Tänzchen schon aus?"

Es flieht die belarvete Menge.

„Zu spät! Denn nun ist's um euch Alle geschehn."

Hoch reckt sich's empor auf den knöchrigen Zeh'n

Und klappert mit schlott'rigen Gliedern.

 

Es sinken die Tänzer— ein jüngstes Gericht?

„Was schweigen die Fiedeln und Harfen?"

Es ächzet manch' krampfhaft verzog'nes Gesicht

Wohl unter den lachenden Larven.

Die finstere Maske ein Kratzfüßchen macht,

Sie dreht sich possierlich und schmunzelt und lacht

Und siedelt auf Menschengebeinen.