Heile Welt

Es war August, ein Sommertag,

der schöner nicht konnt' sein,

im Wald ein tiefer Frieden lag,

wir liefen querfeldein.

 

Der Urlaub in dem kleinen Ort,

aus Fachwerk noch erbaut,

trug in die heile Welt uns fort,

wo Stille selbst wird laut.

 

Durch grüner Wälder Blätterdach

strahlt golden Sonnenlicht,

am Boden nur mit wenig Krach

ein braunes Ästlein bricht.

 

Und über ihre Küken wacht

ein Vögelchen im Nest,

vor kurzem erst zur Welt gebracht,

hoch oben im Geäst.

 

Ein Eichhörnchen huscht aufgeschreckt

hinauf in sein Versteck

und hofft, dass man es nicht entdeckt,

wie schnell – da ist es weg.

 

Ein stolzer Habicht krächzt und schreit,

er kämpft um sein Revier

und streckt die Flügel weit, so weit

mit Augen voller Gier.

 

Und da – inmitten all der Pracht,

umsäumt von jungem Grün,

hat jemand Hölzer hingebracht,

die niemals mehr erblüh'n.

 

Da stecken sie nun, viel zu viel,

im Waldboden, so weich,

die Kinderkreuze, nein, kein Spiel –

sie fielen für ihr Reich.

 

Sie waren siebzehn, achtzehn Jahr',

ein letztes Aufgebot,

welch Opfer brachten sie nur dar,

noch nicht gelebt, schon tot.

 

Wir schauen auf das grüne Blatt,

das sich im Lichte bricht,

bis dass der Abendschatten matt

uns in die Knochen kriecht.

 

Wie trügerisch der Frieden ist,

wie wunderschön die Welt,

die leider nur zu schnell vergisst,

was einzig wirklich zählt.

 

 

(12.09.2022)