Das Mondschaf (Christian Morgenstern)

Das Mondschaf steht auf weiter Flur.
Es harrt und harrt der großen Schur.
  Das Mondschaf.
 
  Das Mondschaf rupft sich einen Halm
Und geht dann heim auf seine Alm.
  Das Mondschaf.
 
  Das Mondschaf spricht zu sich im Traum:
»Ich bin des Weltalls dunkler Raum.«
  Das Mondschaf.
 
  Das Mondschaf liegt am Morgen tot.
Sein Leib ist weiß, die Sonn’ ist rot.
  Das Mondschaf.

Das Mondschaf

Zum Mondschaf kam ein Astronaut,
hat einen engen Stall gebaut,
das Mondschaf hat nur zugeschaut.
 
Das Mondschaf trat zur Kapsel hin,
nichts Böses hatte es im Sinn,
es wusste sonst auch nicht wohin.
 
Der Astronaut hat's umgebracht,
er war ein Mensch und hatte Macht,
der Mond scheint traurig durch die Nacht.
 
Das Mondschaf lebt nur noch im Traum,
die Knochen fliegen durch den Raum,

doch Satelliten stört das kaum.

 

 

(26.08.2022)


Das Original in der ersten Spalte stammt von Christian Morgenstern (1871 - 1914).