Max und Moritz – Eine Fortsetzung

Ach, sie sind wohl auferstanden,

die ein böses Ende fanden

in der alten Schauermär,

die uns gruselte einst sehr.

Wieder neu ans Ohr gedrungen

sind die Namen, fast verklungen,

Max und Moritz heißen sie,

und sie sind modern wie nie.

Haben sie, vom Tod gepeinigt,

ihre Seele dort gereinigt,

die geläutert sucht ihr Glück,

sollte kommen sie zurück?

Doch auch, wenn sie rein geboren,

wie lang' bleibt sie ungeschoren,

schafft das Leid nur neues Leid

bis in alle Ewigkeit?

Haben wir genug gelitten

und sind wahrhaft fortgeschritten?

Hier nun kann man es erfahren,

was sich ändert mit den Jahren:

 

Erster Streich

 

Ja, hier geht's ums Federvieh -

aus der Legebatterie:

Max und Moritz sie in Ställen

quälen, bis die Schreie gellen

von den Küken, die gehäckselt,

weil man Geld mit Glück verwechselt.

Witwe Bolte, lang' verstorben,

wär' erschüttert, wie verdorben

Max und Moritz heute sind,

für das Tierwohl völlig blind.

Wem das nicht genug gewesen,

der kann hier nun weiterlesen:

 

Zweiter Streich

 

Nun, die Viecher sind jetzt tot,

doch noch mehr Profit sich bot:

Mit dem Gammelfleisch zu Hauf

steigert sich der Geldumlauf!

Für die Firma Hühnchen-Maxxx

ist Vertuschung nur ein Klacks.

Auch den Spitz der alten Bolte

sie in ihren Fleischbrei holte,

der als "Öko" deklariert

Kunden so desinformiert.

 

Dritter Streich

 

Böck war als Berufler frei,

hatte eine Schneiderei,

nähte günstig und auch gut,

flickte Socken, Hemd und Hut.

Moritz aber, weltbekannt,

seit in "moFetz" umbenannt,

drückte Böck nun an die Wand,

ging ins ferne Billigland,

wo er wenig investiert,

viel Profite exportiert.

Löhne, Umwelt sind ihm gleich,

Hauptsache, er wird schnell reich.

Runter geht's mit Böck den Bach,

er schult um, hat Ehekrach,

gibt's noch etwas, das ihm bleibt?

Ja, das Jobcenter ihm schreibt,

Schonvermögen anzupreisen:

Ihm bleibt doch sein Bügeleisen!

Das stellt er sich auf den Bauch -

Träume gehen auf in Rauch…

 

Vierter Streich

 

Wie hieß doch der alte Mann,

der kein Smartphone nutzen kann?

Lämpel! - Doch was der hier lehrt,

ist das Zuhören nicht wert:

Humanismus – Schnee von gestern,

lieber fies auf Twitter lästern!

Schlimmer noch – Philosophie,

coole Jobs gibt's damit nie!

Außerdem, das Selber-Denken

sollte man sich besser schenken

und in Lämpels Pfeife rauchen,

die auch Max und Moritz brauchen,

um sich abends zuzudröhnen

und den Lämpel zu verhöhnen.

Der verschweigt, dass er studiert,

da ja Blödheit jetzt regiert.

 

Fünfter Streich

 

Onkel Fritz lebt nicht daheim,

sondern – noch - im Pflegeheim,

dass auf seine alten Tage

ihn die Einsamkeit nicht plage.

Maikäfer, die wären schön,

doch sie mussten untergeh'n…

Max und Moritz sind zwar da,

doch bei ihm man kaum sie sah,

sie sind einfach zu mobil -

Fritz in Depression verfiel.

Letztens wollte er sich bücken,

doch fiel dabei auf den Rücken,

wie ein Käfer lag er dort,

denn der Pfleger war längst fort,

sich woanders zu bewerben…

Max und Moritz können erben!

 

Sechster Streich

 

Vieles konnte man verübeln

Max und Moritz, die nun grübeln:

Brav nur als Opportunisten,

waren sie nie Pazifisten.

Wie macht man aus schwarz nun weiß,

dass man fortan "gut" sie heiß'?

"Stecken wir das Geld in Waffen,

um den Frieden so zu schaffen",

rief der Moritz auf einmal,

"das ist nachhaltig-sozial!"

Und die beiden schwarzen Seelen

konnten sich so weiß bemehlen,

in den Öfen schmelzen sie

Stahl der Waffenindustrie.

Je mehr Tote zu beklagen,

desto voller wird ihr Magen,

anderswo herrscht Hungernot,

hier gibt's Kuchen anstatt Brot.

 

Letzter Streich

 

Max und Moritz, merket auf,

lange wart ihr obenauf,

stecktet alles in den Sack,

viel bewundert und auf Zack,

andre Säcke aufgeschnitten,

dass gelitten nur die Dritten.

Nun am Ende aller Zeit

ist es auch für euch soweit:

Denn das Glück hat sich gewechselt,

weil ihr selber euch gehäckselt,

das, was von euch übrig ist,

all das fiese Viehzeug frisst,

das in eurem Schatten lebt,

weil ihr ihm die Nahrung gebt.

 

Schluss

 

Als man endlich so erfuhr

von der menschlichen Natur,

die ein jeder in sich kennt

und sie Max und Moritz nennt,

war die Trauer nicht sehr tief,

die auch nicht weit um sich griff:

Witwe Bolte war ja tot,

Böck die Zwangsmaßnahme droht,

Lämpel war dem Wahnsinn nah,

Onkel Fritz längst nicht mehr da…

Nur der Moritz und der Max

sahen alles völlig lax:

Sie wird es noch ewig geben,

denn sie sind unsterblich eben,

alle andren gehen drauf,

DAS ist wohl der Welten Lauf!

 

 

(23.04.2022)

 

(basierend auf "Max und Moritz" von Wilhelm Busch, 1832 - 1908)