Der Fuchs und die Trauben (K. W. Ramler)

Ein Fuchs, der auf die Beute ging,
fand einen Weinstock, der voll schwerer Trauben
an einer hohen Mauer hing.
Sie schienen ihm ein köstlich Ding,
allein beschwerlich abzuklauben.
Er schlich umher, den nächsten Zugang auszuspäh’n.
Umsonst! Kein Sprung war abzuseh’n.
Sich selbst nicht vor dem Trupp der Vögel zu beschämen,
der auf den Bäumen saß, kehrt er sich um und spricht
und zieht dabei verächtlich das Gesicht:
»Was soll ich mir viel Mühe geben?
Sie sind ja herb und taugen nicht.«

Der Fuchs und die Trauben

Ein Fuchs, der wollte Trauben fressen,
weil er ja immer voller Gier.
Wie war er doch darauf versessen,
hat dabei aber fast vergessen,
dass er ein fleischverzehrend Tier.
Nun konnte er sie nicht erreichen,
und das gab ihm durchaus Verdruss,
er hörte spöttisch Vögel kreischen,
doch hielt sie nicht für seinesgleichen
und machte mit dem Unsinn Schluss:
Er hat zu sich zurückgefunden,

die Traubengier ganz überwunden!

 

 

(02.09.2022)


Das Original in der ersten Spalte stammt von Karl Wilhelm Ramler (1725 - 1798).