Aus alten Märchen winkt es |
Hervor mit weisser Hand, |
Da singt es und da klingt es |
Von einem Zauberland; |
Wo bunte Blumen blühen |
Im gold’nen Abendlicht, |
Und lieblich duftend glühen, |
Mit bräutlichem Gesicht; |
Und grüne Bäume singen |
Uralte Melodei’n, |
Die Lüfte heimlich klingen, |
Und Vögel schmettern drein; |
Und Nebelbilder steigen |
Wohl aus der Erd’ hervor, |
Und tanzen luft’gen Reigen |
Im wunderlichen Chor; |
Und blaue Funken brennen |
An jedem Blatt und Reis, |
Und rote Lichter rennen |
Im irren, wirren Kreis; |
Und laute Quellen brechen |
Aus wildem Marmorstein. |
Und seltsam in den Bächen |
Strahlt fort der Widerschein. |
Ach, könnt’ ich dorthin kommen, |
Und dort mein Herz erfreu’n, |
Und aller Qual entnommen, |
Und frei und selig sein! |
Ach! jenes Land der Wonne, |
Das seh’ ich oft im Traum, |
Doch kommt die Morgensonne, |
Zerfliesst’s wie eitel Schaum. |
In Märchen und in Sagen |
nur gibt es jenes Land |
aus glücklicheren Tagen, |
das mit der Zeit entschwand… |
Der Sonne gold'ne Strahlen |
erfüllten es mit Licht, |
nur Künstler könnten malen, |
wie's farbenreich sich bricht |
in Blumen und auf Blüten, |
die ewig dort erblüh'n, |
das Licht wird sie behüten, |
dass niemals sie vergeh'n. |
Der Wind liebkost sie sachte |
und singt sein leises Lied, |
das von weither er brachte, |
wohin er wieder zieht… |
Den Tau schenkt er am Morgen |
und hebt in blaue Luft, |
in seinem Arm geborgen, |
den reinsten Rosenduft. |
Und sprudelnd klare Quellen |
mit ihrem Silberglanz |
von Wundern gern erzählen |
dem Kieselstein beim Tanz. |
Wie golden scheint die Sonne, |
wie silbern fließt der Bach. |
Das Zeitalter der Wonne |
hält nur ein Märchen wach. |
Doch darf ich davon träumen: |
im tiefsten Traum ich fand |
in gut verborg'nen Räumen |
das wundersame Land.
(09.08.2022) |
Das Original in der ersten Spalte stammt von Heinrich Heine (1797 - 1856).