Dort der Galgen, hier die Stricke |
und des Henkers roter Bart, |
Volk herum und giftge Blicke - |
Nichts ist neu dran meiner Art! |
Kenne dies aus hundert Gängen, |
schreis euch lachend ins Gesicht: |
"Unnütz, unnütz, mich zu hängen! |
Sterben? Sterben kann ich nicht!" |
Bettler ihr! Denn euch zum Neide |
ward mir, was ihr - nie erwerbt: |
zwar ich leide, zwar ich leide - |
aber ihr - ihr sterbt, ihr sterbt! |
Auch nach hundert Todesgängen |
bin ich Atem, Dunst und Licht - |
"Unnütz, unnütz, mich zu hängen! |
Sterben? Sterben kann ich nicht!" |
Dort der Galgen, mir zum Glücke, |
rein und weiß des Henkers Bart, |
was für euch des Lebens Krücke |
und wohin ihr mich gekarrt. |
Immer neu muss Unschuld hängen, |
Selbstbestrafung meine Pflicht, |
eure Schuld wollt ihr aufdrängen, |
und der Grund - wir lieben nicht! |
Aus der Hölle ich nicht scheide, |
doch wollt ihr, die um sie werbt, |
dass der Teufel selbst euch meide, |
euch, die tot den Tod nur erbt. |
Mich ins Mittelmaß zu zwängen |
seid als Masse ihr erpicht, |
um euch noch mehr einzuengen. |
Hängen? Ja, hängt auf ein Licht!
(02.08.2022) |
Das Original in der ersten Spalte stammt von Friedrich Nietzsche (1844 - 1900).