Рассудок и любовь

Младой Дафнис, гоняясь за Доридой,
«Постой, – кричал, – прелестная! постой,
Скажи: „Люблю“ – и бегать за тобой
Не стану я – клянуся в том Кипридой!»
«Молчи, молчи!» – Рассудок говорил,
А плут Эрот: «Скажи: ты сердцу мил!»
 
«Ты сердцу мил!» – пастушка повторила,
И их сердца огнем любви зажглись,
И пал к ногам красавицы Дафнис,
И страстный взор Дорида потупила.
«Беги, беги!» – Рассудок ей твердил,
А плут Эрот: «Останься!» – говорил.
 
Осталася – и трепетной рукою
Взял руку ей счастливый пастушок.
«Взгляни, – сказал, – с подругой голубок
Там обнялись под тенью лип густою!»
«Беги, беги!» – Рассудок повторил,
«Учись от них!» – Эрот ей говорил.
 
И нежная улыбка пробежала
Красавицы на пламенных устах,
И вот она с томлением в глазах
К любезному в объятия упала…
«Будь счастлива!» – Эрот ей прошептал,
Рассудок что ж? Рассудок уж молчал.

Der Verstand und die Liebe

Der junge Daphnis jagte einst Dorida,
"Halt inne, Schönheit, lauf doch nicht mehr fort!
Sagst du 'Ich lieb' dich', so geb' ich mein Wort:
Ich höre auf und schwör' es bei Kyprida!"
"So schweig, so schweig!" - empfahl ihr der Verstand,
Doch Eros schelmisch rief: "Gib's ihm bekannt!"
 
"Ich liebe dich!' - die Hirtin wiederholte,
Und beide Herzen waren gleich entzückt,
Zu ihren Füßen Daphnis sank beglückt,
Was ihren Blick mit Feuer füllen sollte.
"So lauf, so lauf!" - ermahnte der Verstand,
Doch Eros schalkhaft rief: "Reich ihm die Hand!"
 
Sie blieb bei ihm - wie sie gezittert hatten,
Kaum dass er sie glückselig hat berührt.
"Sieh auf dem Zweig die Taube, die betört
Den Täuberich umarmt in Lindens Schatten!"
"So flieh, so flieh!" - beschwor sie der Verstand,
Doch Eros fragte: "Hast du's nicht erkannt?"
 
Ein zartes Lächeln huschte über Wangen,
Auf feuerroten Lippen es ertrank,
Mit mattem Blick sie zu ihm nieder sank,
Um dort in seine Arme zu gelangen...
"Sei glücklich!"- Eros flüsterte ganz sacht.
Und der Verstand? - Zum Schweigen wurd' gebracht.
 
 
(01.10.2022)
 
Anmerkungen:
Daphnis ist ein Sohn des Hermes und Hirte auf Sizilien.
Dorida oder Doris ist eine Okeanide, also Tochter des Okeanos.

Kyprida oder Kypría ist ein Beiname der Göttin Aphrodite.

 


Nachfolgend noch die schöne Übertragung von Friedrich Fiedler (1859 - 1917):

 

 

Die Vernunft und die Liebe
 
Der junge Daphnis wollte Doris fangen
Und rief: "Was eilst du, holdes Kind, so sehr?
Sprich nur: ich liebe dich! und nimmermehr
Verfolg ich dich; o bleibe, laß dein Bangen!"
Laut warnte die Vernunft: "Kein Wörtchen sprich!"
Doch Eros riet: "Sag ihm: ich liebe dich!"
 
Und Doris sprach: "ich liebe dich!" Und glühend
Schlug beider Herz im ersten Liebesglück.
Zu Füßen sank ihr Daphnis, und der Blick
Der Hirtin irrte, leidenschaftersprühend.
Laut warnte die Vernunft: "O, flieh geschwind!"
Doch Eros sprach, der Schalk: "Bleib, süßes Kind!"
 
Und Doris blieb, und, zitternd vor Verlangen,
Nahm ihre Hand der Hirt: "Ich liebe dich!
Sieh, wie die Taube mit dem Täuberich
Sich mit den Flügeln im Gezweig umfangen!"
Laut warnte die Vernunft: "O, flieh geschwind!"
Doch Eros sprach: "Von ihnen lerne, Kind!"
 
Und Doris stand mit heißen, schamverwirrten,
Umflorten Augen da, beseligt bang,
Die Lippen flammten ihr – und plötzlich sank
Sie in die Arme des verliebten Hirten.
"Sei glücklich!" sprach Schalk Eros bei dem Sieg.
Und die Vernunft? Ei, die Vernunft – sie schwieg!